„Das ist krass!“ — „Flüchtlingshilfe absurd: Berliner bekommen Plattenbau direkt vor die Nase gesetzt“ – die aktuelle News-Story in Focus-Online zeigt ein Beispiel Berliner Baukultur, wie sie in Zeiten eingeschränkter Bürgerbeteiligung möglich geworden ist.
Der Beamte Peter D. und die Angestellte Hanka G. erfüllten sich den Traum vom Eigenheim in Weißensee. Mit ihren Nachbarn freuten sie sich viele Jahre über ihren kleinen Garten mit Blick auf ein Wäldchen.
Focus: „Dann kam der Schicksalsschlag, wie in Zeitlupe: Anfang 2017 erfuhren sie, der Wald wird durch einen Plattenbau ersetzt. Gesagt, getan: Seit Mitte 2020 steht an Stelle des Wäldchens ein Bauriegel mit drei Stockwerken, in 18 Meter Entfernung – und 34 großen, verspiegelten Fenstern. Hinter jedem Fenster ist ein Zimmer mit mehreren Bewohnern: Denn der Riegel ist eine Flüchtlingsunterkunft.“
Die Flüchtlingsunterkunft vom Bautyp MUF in der Falkenberger Straße 151-154 in 13088 Berlin wurde im Sonderbaurecht durchgesetzt. Wer sich für Details interessiert sollte den gesamten Focus-Beitrag lesen.
Gebaut wurde von der landeseigenen Gesobau, die sich hier ganz nebenbei ein eigenes Baurecht definiert hat. O-Ton auf der Internetseite:
„Gab es eine Beteiligung der Öffentlichkeit?“
„Für das Bauvorhaben wurde weder ein Bebauungsplan erstellt noch geändert. Der Neubau befindet sich im Außenbereich nach §35 Baugesetzbuch. Daher war formal keine Verpflichtung einer Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben. Dennoch war es dem Bezirksamt und der Gesobau wichtig, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Dies geschah durch Informationsbriefe und Anwohnerveranstaltungen.“
Was nicht in den Informationsbriefen und Anwohnerversammlungen stand: es gibt ein Baugesetzbuch (BauGB) mit einem Paragraphen 35, dessen Bestimmungen einer Errichtung eines MUF entgegen stehen!
Die beteiligten AnwohnerInnen wurden damit mit großer Sicherheit falsch informiert, und haben auf etwaige Verfahrensansprüche „vor Baubeginn“ verzichtet. Nun kommen alle Klagen zu spät!
Kommentar:
Die Pankower Allgemeine Zeitung hat den Fall nicht vorab aufgegriffen. Eine finanzielle Basis für „dauerbeobachtenden und detaillierten“ Lokaljournalismus gibt es nicht in Bezirksteil Weißensee! — Hier ist quasi lokalpressefreie Zone, in der die Bürger kein Frühwarnsystem mehr haben!
— So hat sich in Pankow auch über die Jahre ein spezieller Stil der „partizipativen Dialogverfahren“ etabliert, in der Bürgermeister und Verfahrensträger zu Dialogen einladen, in denen Bürger informell über den Tisch gezogen und um Einspruchsrechte gebracht werden!
Die Beteiligung von Bürgermeister Sören Benn (DIE LINKE) und der ehemaligen Pankower Integrationsbeauftragten Katarina Niewiedzial ist dabei unstrittig. Auch wenn deren getätigte Äußerungen umstritten sind — Grundkenntnisse des Baurechts dürften beiden im Rahmen allgemeiner Verwaltungskompetenzen bekannt sein — sie haben die Entrechtung der Anlieger wissentlich in Kauf genommen! Niewiedzial ist übrigens Vorstandsmitglied eines Think Tanks, der sich als „Progressive Mehrheit“ versteht und sich um Zukunft der Demokratie Gedanken macht!
Die Presseöffentlichkeit von „partizipativen Beteiligungsverfahren“ in ganz Berlin ist übrigens nicht mehr gesichert. Allein in Pankow müssten vier Vollzeit-Lokal-Journalisten eingesetzt werden, um die zugedachte systemrelevante Rolle als „vierte Gewalt“ auszufüllen. — Wie es derzeit ausschaut, müssen Bürgerinnen und Bürger folglich auf eigene vorausschauende Kontrollfähigkeiten und ihre Rechtsanwälte bauen!
Privat, betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich ist das eine teure und verdrießliche Angelegenheit – die schlechte Politik hervorbringt!
Michael Springer, Herausgeber